Der
Reaktortyp RBMK
Die Akürzung RBMK steht für
Reaktor Bolschoj Moschnostij Kanalnij, was soviel wie "Reaktor
großer Leistung mit Kanälen" bedeutet.
Das Reaktordesign weist zwei Kühlmittelkreisläufe auf. Jeder
Kreislauf braucht extrem viel Kühlwasser (weshalb RBMK-Reaktoren
ausschließlich an großen Wasserreservoirs - Seen oder Meeren
- erbaut wurden) und führt von einer Hälfte des Reaktors die
Wärme ab.
Die rund 1660 Brennstäbe befinden sich jeweils in einer eigenen
Druckröhre und nicht, wie in anderen Kernreaktoren üblich,
in einem großem Druckbehälter. Jeder Brennstoffkanal erzeugt
Dampf, der in einem Direktkreislauf die Turbinen speist, welche den
Generator antreiben und somit Strom erzeugen. Jeder Druckkanal muss
von einer eigenen Meßstelle überwacht werden, was den gesamten
Reaktor selbst für erfahrene Bedienungsmannschaften sehr unübersichtlich
erscheinen lässt.
Die Kettenreaktionen werden von einem massiven Graphitblock moderiert,
das heisst, die bei der Kernspaltung frei werdenden Neutronen werden
vom Graphit auf eine Geschwindigkeit abgebremst, die es ihnen ermöglicht,
weitere Kerne zu spalten.
Um die Kettenreaktionen steuern zu können, sind außerdem
noch sehr viele Regelstäbe nötig. Werden diese komplett eingefahren,
stoppen sie die Kettenreaktion, da sie Neutronen absorbieren.
Der RBMK-Reaktor ist stark überaktiv ausgelegt (er hat einen positiven
"Void-Koeffizienten"), das heisst, dass die Kettenreaktionen
sich beschleunigen, wenn Kühlwasser verloren geht. Westliche Kernkraftwerke
müssen einen negativen Void-Koeffizienten aufweisen, was bedeutet,
dass die Kettenreaktion automatisch zum Erliegen kommt, wenn Kühlwasser
verloren geht.
Das RBMK-Design gilt - was die Tschernobyl-Katastrophe nachhältig
bestätigt hat - als die unsicherste und gefährlichste Reaktorlinie
der Welt. Solche Reaktoren befinden sich ausschließlich auf dem
Gebiet der ehemaligen UdSSR.
Stärken des RBMK:
- Die geringe Dichte des Reaktorkerns
macht den Reaktor widerstandsfähiger gegen Stromausfälle
- Einzelne Brennstäbe können
während der Betriebs ausgetauscht werden, was den Reaktor auf
der einen Seite sehr wirtschaftlich macht, und auf der anderen Seite
dem Militär die Möglichkeit gibt, leichter an das waffenfähige
Plutonium aus den abgebrannten Brennstäben heranzukommen
Schwächen des RBMK:
- Es gibt keine Betonschutzhülle
(Containment), die im Falle eines Unfalls das Austreten von Radioaktivität
verhindern könnte. Bei der Tschernobyl-Katastrophe konnte das
Reaktorgebäude der Explosionswucht nicht widerstehen
- Unfallschutzsysteme sind nur begrenzt
vorhanden und nicht effektiv
- Der Graphitblock kann leicht zu brennen
beginnen, wenn er mit Luft in Kontakt gerät
- Die Geschwindigkeit, mit der die
Regelstäbe im Notfall in den Kern eingefahren werden können,
ist viel zu langsam
- Die Reaktorkontrollsysteme sind sehr
störanfällig
- Der positive Void-Koeffizient - bei
Kühlmittelverlust kann die Kettenreaktion schnell ausser Kontrolle
geraten
- Unzulänglicher Brandschutz
- Begrenzte Möglichkeiten, austretenden
Dampf im Graphitblock einzudämmen
- Mangelnde Trennung von Sicherheitssystemen
(wenn eins ausfällt, fallen gleich mehrere aus); kaum Back-Up-Systeme
vorhanden
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