Kola

Kernkraftwerk Kola

Foto: Rosatom

 

In dem kleinen Ort Polarnije Sori, an der Nordspitze der Halbinsel Kola im Dreiländereck von Russland, Norwegen und Finnland gelegen, produzieren vier WWER-440-Reaktoren Strom für die Nordmeerflotte und die Hafenstädte der russischen Marine rund um die Großstadt Murmansk an der Barentssee.


Die nahe Umgebung Murmansks, in der das Kraftwerk liegt, war während der Sowjetherrschaft militärisches Sperrgebiet, so dass kaum Berichte über den Betrieb und eventuelle Störfälle in Polarnije Sori nach aussen drangen.


Fest steht, dass das Atomkraftwerk der Nordmeerflotte mitten in eine Zone extremer klimatischer Bedingungen hinein gesetzt wurde. Es war den Planern sicherlich nicht unbekannt, dass es nördlich des Polarkreises manchmal heftige Schneestürme gibt, und dennoch wurde ein solcher dem Kraftwerk beinahe zum Verhängnis.


Im Januar 1993 knickten heftige Sturmböen die Leitungsmasten des Kraftwerks ab. Die Stromkabel rissen, eine Schnellabschaltung der Reaktoren wurde eingeleitet. In einem solchen Fall, in denen die Reaktoren selbst keinen Strom mehr produzieren, müssen Dieselaggregate einspringen, um die Kühlwasserpumpen anzutreiben. Diesel hat jedoch die unangenehme Eigenschaft, bei gewissen Minustemperaturen zähflüssig zu werden. Die ersten drei Aggregate versagten folglich ihren Dienst, doch der vierte und letzte sprang wie durch ein Wunder an. Die Kühlwasserversorgung war gewährleistet, die Reaktoren gingen nicht durch, und es gab auch keine Kernschmelze. Für die Bevölkerung hat natürlich wieder einmal keine Gefahr bestanden.


Ein solches Ereignis kann sich jederzeit wiederholen, die Ursache der Beinahe-Katastrophe, die Notstromversorgung auf Diesel-Basis, wurde nicht behoben.


Auch sonst ist das Kraftwerk in einem maroden Zustand. Leitungen und Rohre sind notdürftig zusammengeschweißt, in der Maschinenhalle wird ungesichert Öl gelagert, und die Kommunikationseinrichtungen - der Begriff "Telefone" wäre eine maßlose Übertreibung - stammen von Anfang des Jahrhunderts und sind darüber hinaus schlecht gewartet. Im Ernstfall müßte über diese Geräte kommuniziert werden, wie die Notfall-Situation sich darstellt und wie man koordiniert gegen sie vorgehen will. Schwer vorstellbar, wenn die Kurbelmechanismen, die das Telefonieren erst möglich machen, eingerostet sind.


Die EU überwies im letzten Jahr eine Soforthilfe zur Modernisierung der Kommunikationsanlage von 6 Millionen Mark nach Polarnije Sori. Das Geld kam aber nie an, es versickerte in dunklen Kanälen.
Es ist müßig anzumerken, dass auch der Brandschutz in verheerendem Zustand ist. Die Feuerlöschtechnik ist kaum moderner als die Kommunikationseinrichtungen, und die meisten Handfeuerlöscher fehlen schlicht und einfach - offensichtlich wurden sie von Arbeitern geklaut, um sie in der Stadt zu verkaufen.