Häufig gestellte Fragen

1. Wie viele Menschen wurden evakuiert?

Alle 50.000 Einwohner der Stadt Pripjat, die nur drei Kilometer vom Reaktor entfernt liegt, wurden 36 Stunden nach dem Unfall evakuiert. Während der folgenden Wochen und Monate wurden noch einmal 67.000 Menschen aus ihren kontaminierten Wohnorten innerhalb der 30-Kilometer-Zone in Sicherheit gebracht und in andere Regionen des Landes umgesiedelt. Da auch später immer wieder schwer verstrahlte Flächen außerhalb der 30-Kilometer-Zone entdeckt wurden, verloren bis heute durch den Atomunfall ungefähr 200.000 Menschen ihre Heimat.

 

2. Welche radioaktiven Elemente gelangten durch den Unfall in die Umwelt?

Die Explosion setzte über 100 radioaktive Elemente in die Atmosphäre frei. Die meisten von ihnen waren kurzlebig und zerfielen innerhalb weniger Stunden oder Tage. Die gefährlichsten Elemente, die in die Umwelt gerieten, sind Jod, Strontium-90 und Cäsium-137. Ihre Halbwertszeiten (die Zeit, in der sich die Radioaktivität des Isotops halbiert): 8 Tage (Jod), 29 Jahre (Strontium-90) und 30 Jahre (Cäsium-137). Die Isotope Strontium-90 und Cäsium-137 sind also auch noch heute nachweisbar, während das kurzlebige Jod bei der Bevölkerung in den reaktornahen Gebieten seinerzeit die verheerendsten Gesundheitsschäden anrichtete, da es in ungeheuren Mengen freigesetzt wurde und die Menschen ihm anfangs komplett ungeschützt ausgeliefert waren. Während Jod Schilddrüsenkrebs (vor allem bei Kindern) hervorruft, kann Strontium zu Leukämie (Blutkrebs) und Knochenkrebs führen; Cäsium bestrahlt den kompletten Körper und kann unter anderem Magen-, Leber- und Milzkrebs verursachen.

 

3. Auf welcher Fläche ging der radioaktive Fallout nieder?

Zirka 150.000 Quadratkilometer in Weissrussland, Russland und der Ukraine sind verseucht. Diese radioaktiven Zonen erstrecken sich auf einer Länge von bis zu 500 Kilometer nordwärts vom Reaktor aus betrachtet (nach der Explosion trieb der Wind die radioaktive Wolke in diese Richtung). Die 30-Kilometer-Zone um den Reaktor ist mit Ausnahme weniger Rückkehrer heute unbewohnt. Der radioaktive Fallout verteilte sich in Aerosolform über den größten Teil der nördlichen Hemisphäre und verseuchte unter anderem Regionen in Lappland, Finnland, Rumänien, Bulgarien, Polen, Bayern, Westengland und der Südtürkei mit einer signifikanten Radioaktivitätsdosis, die seinerzeit zwar jenseits der zulässigen Grenzwerte lag, gleichzeitig aber immer noch deutlich unterhalb der Strahlenbelastung lag, die auf Weissrussland, Russland und die Ukraine niederging. Während in der näheren Umgebung des Reaktors (ehemalige Sowjetunion, Osteuropa) der größte Teil der "schwereren" Elemente Strontium und Jod niederging, finden sich in Nord-, Mittel- und Westeuropa heute hauptsächlich Cäsium-Rückstände.

 

4. Wie wurden das Kraftwerksgelände und die 30-Kilometer-Zone dekontaminiert?

Die Dekontaminations-Aufgaben übernahmen Liquidatoren, die sich unter anderem aus Kraftwerksangestellten, wehrpflichtigen Soldaten, Reservisten, Studenten und Bergarbeitern zusammensetzten. Da keine lückenlose Registrierung erfolgte, ist die exakte Zahl der in Tschernobyl eingesetzten Liquidatoren unbekannt. Fest steht, dass rund 600.000 Menschen bis Anfang der 90er Jahre der Status des "Liquidators" zuerkannt wurde, was ihnen finanzielle Zulagen und eine kostenlose Krankenversorgung garantiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl der Liquidatoren höher liegt, so etwa bei 800.000 bis 1 Million.
Die Liquidatoren übernahmen Dekontaminierungsmaßnahmen (Vgl. Fotoarchiv / Die Liquidation des Unfalls) und nahmen an Errichtungsarbeiten teil, zum Beispiel von neuen Wohnsiedlungen für Evakuierte. Außerdem erbauten sie noch Deponien für Atommüll, Dämme sowie Wasser-Filtrationssysteme und nicht zuletzt auch den Sarkophag, der seit November 1986 die Strahlung aus dem havarierten Reaktorblock abschirmt.

 

5. Was geschah mit der Natur und den Tieren nach dem Unfall?

In der 30-Kilometer-Zone und sogar noch in weiter entfernteren Gebieten traten nach dem Atom-Unfall vermehrt Fälle von Mutationen der Tier-und Pflanzenwelt auf. Blätter veränderten ihre Form, Eichenblätter verloren teilweise ihre Symmetrie, jungen Tannen wuchsen mehrere Kronen, ja sogar ganze Wälder in der Nähe des Kernkraftwerks gingen aufgrund der massiven Strahleneinwirkung ein. Bei Tieren kam es zu immer mehr Fehlgeburten und Missbildungen; Kreaturen mit sechs Beinen, ohne Augen, zusammengewachsenen Extremitäten und ähnlichen Mutationen wurden aus großen Teilen der Ukraine, Weissrusslands und Westrusslands gemeldet.
Der nach wie vor hohen Strahlenbelastung zum Trotz kehren heute immer mehr seltene Tierarten in das verseuchte Gebiet zurück. Sie übernehmen den Lebensraum vom Menschen, der sie einst vertrieben hatte. Zu diesen Tieren gehören Biber, Ratten, Wölfe, wilde Hunde und Wildschweine sowie bestimmte Vogelarten.

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6. Ist es heute sicher, Tschernobyl zu besuchen?

Sowohl der Aufenthalt in der gesperrten 30-Kilometer-Zone (inklusive der Stadt Pripjat) als auch der Besuch des Kernkraftwerkes ist heute bedenkenlos möglich. Lediglich in unmittelbarer Nähe des Sarkophags steigt der Strahlungspegel in einen signifikant erhöhten Bereich.
Obwohl manche Isotope wie Cäsium-137, Strontium-90 und Plutonium-239 noch immer nicht zerfallen sind und auch durch die Dekontaminationsarbeiten nicht vollständig beseitigt werden konnten, hält sich die aus ihnen resultierende Strahlenbelastung für einen begrenzten Besuchszeitraum in tolerierbaren Grenzen. Selbst bei den wenigen hundert Tschernobyl-Rückkehrern, die heute wieder innerhalb der 30-Kilometer-Zone leben, wirkt die Dauerbestrahlung nicht tödlich. Begründung: Eine Dauerbestrahlung auf unüblichem, wenngleich noch niedrigem Niveau ist weniger gefährlich als jene mit einer vergleichbaren Strahlendosis innerhalb kürzester Zeit.

 

7. Wie kann man Tschernobyl mit der Wirkung der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki vergleichen?

Die in Tschernobyl freigesetzte Strahlung liegt ungefähr 400mal über jener der Hiroshima-Bombe, beträgt allerdings nur ein knappes Hundertstel der addierten radioaktiven Emissionen der oberirdischen Kernwaffentests während der 50er und 60er Jahre.

 

8. Wie leben die Bewohner der Tschernobyl-Gegend heute?

Aktuell befinden sich innerhalb der 30-Kilometer-Zone rund 200 kleine Gemeinschaften, in die überwiegend alte Menschen "zum Sterben" zurückgekehrt sind. Obwohl das Leben in der Zone eigentlich gesetzlich verboten ist, werden die Rückkehrer stillschweigend toleriert und von der kontrollierenden Miliz manchmal sogar mit wichtigen, den Alltag erleichternden Gütern (wie zum Beispiel Batterien) aus der Stadt versorgt. Kinder dürfen in der Zone allerdings nicht leben.
Der Großteil der evakuierten Bevölkerung lebt heute entweder in einem Vorort von Kiew ("Klein-Pripjat"), der nach der Evakuierung Pripjats für dessen Einwohner errichtet wurde, sowie in Slawutitsch, einer ebenso kurzfristig erbauten Stadt rund 60 Kilometer vom Reaktor entfernt, in der vor allem jene Menschen mit ihren Familien leben, die bis zur endgültigen Stillegung der Anlage im Dezember 2000 noch im Kernkraftwerk Tschernobyl gearbeitet haben.

 

9. Was passiert jetzt mit dem Atomkraftwerk?

Mit der Schließung am 15. Dezember 2000 begannen gleichzeitig die Abbauarbeiten. Dazu zählen unter anderem die Beseitigung und Entsorgung von Treibstoff und Abfall und die endgültige Dekontamination des Kraftwerksgeländes und seiner Umgebung, insbesondere was Grundwasser und Erdreich betrifft, das radioaktiv verseucht sein könnte. Auch die Demontage der drei ebenfalls stillgelegten, aber noch intakten Reaktoren der Blöcke 1-3 steht noch an und wird wohl mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Die Aufgaben stehen unter Leitung der ukrainischen Regierung. Für administrative und ingenieurstechnische Probleme steht ihr die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zur Seite. Das weitere Schicksal des zerstörten vierten Reaktors ist noch ungewiss.

 

10. Wie ist der aktuelle Status des Sarkophags?

Die Errichtung des Sarkophags wurde von den Liquidatoren unter Opferung ihrer Gesundheit schon wenige Wochen nach dem Unfall in Angriff genommen und im November 1986 abgeschlossen. Die in aller Eile errichtete, massive Beton-Stahl-Konstruktion ist über die Jahre instabil geworden und stellt heute eine riskante Situation dar. Zahlreiche Reparaturen wurden bereits durchgeführt, unter anderem die Stabilisierung des Ventilationssystems, das Verschliessen von Löchern und eine Verstärkung der Dachkonstruktion. Dennoch wurde parallel ein Plan ausgetüftelt, mit dem eine zweite, stabile Sarkophagkonstruktion über die bereits bestehende Schutzhülle gezogen werden soll. Die ambitionierte Vision der Ingenieure: neben der Reaktorruine soll eine bogenförmige Stahlkonstruktion mit einer Breite von 245 Metern, einer Länge von 144 Metern und einer Höhe von 86 Metern entstehen, ein Bauwerk, doppelt so groß wie der Kölner Dom. Auf Schienen soll die Konstruktion dann über den alten Sarkophag geschoben und an den Seiten verschlossen werden. Die Arbeiten an der Infrastruktur haben bereits begonnen, im Jahr 2008 soll der Stahlgigant fertig sein und die Tschernobyl-Ruine endgültig und für alle Zeit begraben. Das Projekt unter Federführung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Osteuropa wird mindestens 800 Millionen US-Dollar kosten.

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